Mit dem am 22.3.2020 in Kraft getretenen 2. COVID-19-Gesetzespaket wurde ein umfangreiches Fristen-Moratorium erlassen, das insbesondere auch für das Vergaberecht erhebliche Bedeutung hatte (siehe dazu unseren Newsletter). Nur wenige Tage später wurde dieses Moratorium im Vergaberecht wieder grundlegend geändert, weil mit den ursprünglichen Regelungen offensichtlich nicht bedachte und offenbar auch unerwünschte Folgen verbunden waren. Am 4.4.2020 wurde nunmehr das 4. COVID-19-Gesetz kundgemacht, das mit Ablauf dieses Tages in Kraft getreten ist. Dieses 4. Gesetzespaket umfasst unter anderem das für das Vergaberecht relevante „COVID-19 Begleitgesetz Vergabe“ (Artikel 38 des 4. COVID-19-Gesetzes). Beispielsweise enthält das ursprüngliche COVID-19-VwBG eine wesentliche Verlängerung der Entscheidungsfrist der Verwaltungsgerichte in Nachprüfungsverfahren, indem diese bis 30.4.2020 unterbrochen wurde und erst am 1.5.2020 neu zu laufen begonnen hätte. Dies wird nunmehr insofern korrigiert, als Fristen in anhängigen Nachprüfungsverfahren – das sind insbesondere die von den Gerichten einzuhaltenden Entscheidungsfristen – nicht erst am 1.5.2020, sondern bereits am 7.4.2020 neu zu laufen beginnen (§ 2 COVID-19 Begleitgesetz Vergabe). Ergänzend dazu werden organisatorische Maßnahmen vorgesehen, indem etwa Senatsentscheidungen der Verwaltungsgerichte unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationswege oder im Wege eines Umlaufbeschluss getroffen werden können (§ 4 COVID-19 Begleitgesetz Vergabe).

Für die Vergabepraxis besonders relevant ist außerdem, dass die nach dem ursprünglichen COVID-19-VwBG vorgesehene Verlängerung der Anfechtungsfristen für öffentlichen Vergabeverfahren beendet wird. Nach dem COVID-19-VwBG wurde der Zeitraum von 22.3.2020 bis inklusive 30.4.2020 in die Anfechtungsfrist nicht eingerechnet (§§ 2 und 6 Abs 1 und 2 COVID-19-VwBG). Im Ergebnis wurden damit die Anfechtungsfristen um bis zu 40 Tage verlängert. Mit dem neuen COVID-19 Begleitgesetz Vergabe endet diese Fristverlängerung für Nachprüfungsanträge nicht erst am 30.4.2020, sondern bereits mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes (§ 3 COVID-19 Begleitgesetz Vergabe). Im Konkreten ergeben sich daraus folgende praktische Konsequenzen für Vergabeverfahren:

  • Für die nach dem Tag der Kundmachung mitgeteilten gesondert anfechtbaren Entscheidungen (insbesondere Zuschlagsentscheidungen) gelten wieder die regulären Anfechtungsfristen ohne Verlängerung bis 11.5.2020.
  • Für jene gesondert anfechtbaren Entscheidungen, die den Bietern im Zeitraum von 22.3.2020 bis 4.4.2020 mitgeteilt wurden, endet die zehntägige Anfechtungsfrist am 14.4.2020.
  • Für jene gesondert anfechtbaren Entscheidungen, die den Bietern vor dem 22.3.2020 mitgeteilt wurden und deren Anfechtungsfrist nicht schon vor dem Inkrafttreten des 2. COVID-19-VwBG abgelaufen war, ist die Rechtslage etwas komplizierter: Zunächst ist der Zeitraum zwischen Mitteilung der Entscheidung und 22.3.2020 zu berechnen. Die Differenz zur zehntägigen Anfechtungsfrist läuft dann ab (inklusive) 5.4.2020 weiter. Wurde beispielsweise die Entscheidung am 16.3.2020 mitgeteilt, beträgt der Zeitraum zwischen Mitteilung und 22.3.2020 fünf Tage (17., 18., 19., 20. und 21. März 2020). Von der zehntägigen Anfechtungsfrist bleiben dann noch fünf Tage, die ab 5.4.2020 weiterläuft und am 10.4.2020 endet.

Neben diesen fristentechnischen Änderungen ist darauf hinzuweisen, dass so genannte Notvergaben nicht mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung blockiert werden können (§ 5 COVID-19 Begleitgesetz Vergabe). Als Notvergaben gelten im Wesentlichen jene Beschaffungsvorhaben, die der dringenden Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 oder der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dienen. Wird ein solches Vergabeverfahren in einem Nachprüfungsverfahren angefochten, hat ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Untersagung der Angebotsöffnung, des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung oder der Erteilung des Zuschlages keine aufschiebende Wirkung. Der Auftraggeber darf daher bereits vor der Entscheidung des Gerichts über diesen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sofort den Zuschlag erteilen, die Rahmenvereinbarung abschließen bzw die Angebote öffnen. In diesem Fall ist aber davon auszugehen, dass ein anhängiger Nachprüfungsantrag als Feststellungsantrag fortzusetzen ist, sodass der Auftraggeber alle damit in Verbindung stehenden Konsequenzen zu berücksichtigen hat.

BGBl I 24/2020