Auf elektronischen Vergabeplattformen werden Ausschreibungsunterlagen in der Regel derzeit in der Weise bereitgestellt, dass sich interessierte Unternehmen zuerst mit Angabe von Kontaktdaten kostenlos registrieren müssen, um die Ausschreibungsunterlagen herunterzuladen. Laut einem aktuellen Rundschreiben des Bundesministeriums für Justiz (BMJ) vom 25.7.2023 sei ein derartiger Registrierungsprozess aber unzulässig. Die für die Bereitstellung der Ausschreibungsunterlagen veröffentlichte Internetadresse müsse „einen uneingeschränkten Zugang zu den Ausschreibungsunterlagen ohne Registrierungspflicht“ bieten. Das BMJ stützt diese Ansicht insbesondere auf ein bereits etwas älteres Urteil des EuGH vom 17.6.2021 (C-23/20).

Dazu ist anzumerken, dass der EuGH in diesem Urteil die Bereitstellung von Ausschreibungsunterlagen nur am Rande erwähnte und die auf Vergabeplattformen üblicherweise vorzunehmende vorherige elektronische Registrierung nicht ausdrücklich behandelte. Tatsächlich hat dieses Urteil bisher öffentliche Auftraggeber und Betreiber von Vergabeplattformen auch noch nicht dazu veranlasst, auf eine Vorabregistrierung zu verzichten.

Der vom BMJ geforderte Entfall einer Vorabregistrierung ist jedenfalls für die praktische Abwicklung von Vergabeverfahren nicht unbedingt förderlich: Die vorherige Registrierung auf einer Vergabeplattform hat insbesondere den Zweck, dass die jeweiligen Unternehmen automatisch verständigt werden können, wenn der Auftraggeber die Ausschreibung berichtigt oder andere zusätzliche Informationen (zB Fragebeantwortungen) bereitstellt. Ohne Vorabregistrierung werden die an einer Ausschreibung interessierten Unternehmen häufiger wesentliche Informationen übersehen. Außerdem besteht die Gefahr, dass bei der Abgabe elektronischer Angebote häufiger Fehler passieren, weil sich die Bieter erst kurz vor Angebotsabgabe um einen entsprechenden Zugang zur Vergabeplattform kümmern und deshalb mit der Bedienung der Plattform noch nicht vertraut sind.

Rundschreiben des BMJ vom 25.7.2023

Urteil des EuGH vom 17.6.2021 (C-23/20)