Im vorliegenden Revisionsverfahren hatte der VwGH die Zulässigkeit der Ausscheidung eines Bieters aufgrund einer vertieften Angebotsprüfung für so genannte Bagatellpositionen zu beurteilen. Im Vergaberecht werden darunter Positionen verstanden, die im Verhältnis zum Gesamtangebotspreis nur eine untergeordnete Bedeutung haben. Im Konkreten haben im vorliegenden Verfahren diese Bagatellpositionen 0,31% des angebotenen Gesamtpreises ausgemacht. Der Ausgangspunkt dieses Rechtsstreites war eine vertiefte Angebotsprüfung des Landes Oberösterreich aufgrund mehrerer Auffälligkeiten in der Angebotskalkulation der Revisionswerberin. Der Auftraggeber hat deshalb eine vertiefte Angebotsprüfung gemäß § 138 BVergG durchgeführt und die Revisionswerberin zu einer schriftlichen Aufklärung ersucht. Nach Vorliegen des Aufklärungsschreibens wurde das Angebot ausgeschieden, weil nach Ansicht des Auftraggebers das Aufklärungsschreiben der Revisionswerberin vergaberechtlich weder eine nachvollziehbare Begründung enthalten hat noch die bestehenden Unklarheiten aufgeklärt wurden. Die Revisionswerberin hat diese Ausscheidensentscheidung mit einem Nachprüfungsantrag bekämpft. Das in erster Instanz zuständige Landesverwaltungsgericht ist jedoch der Argumentation der Revisionswerberin nicht gefolgt und hat die Ausscheidensentscheidung des Auftraggebers, die sich auf § 141 Abs 2 BVergG gestützt hat, bestätigt. Die ausgeschiedene Bieterin hat diese Entscheidung mit einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft. Dabei hat die Revisionswerberin zum einen im Wesentlichen bestritten, ihr Aufklärungsschreiben wäre unzureichend gewesen. Zum anderen hat sie ins Treffen geführt, dass sich die Unklarheiten nur auf 0,31% des Gesamtangebotspreises beziehen und eine Ausscheidung somit unverhältnismäßig wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in der vorliegenden Entscheidung darauf hingewiesen, dass Auftraggeber im Vergaberecht berechtigt sind, Bieter auszuscheiden, wenn sie ein Aufklärungsersuchen im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung nicht vollständig beantworten. Darüber hinaus führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass ein Aufklärungsersuchen zwar nur zulässig ist, wenn die Unklarheiten für die Beurteilung des Angebots von Bedeutung sind. Es gibt aber keine vergaberechtlichen Vorgaben, dass eine vertiefte Angebotsprüfung nur zulässig wäre, wenn die betreffenden Positionen einen bestimmten Anteil des Gesamtpreises haben. Dem Auftraggeber steht es somit offen, sich in einem Aufklärungsersuchen auf jegliche Unklarheiten und Positionen unabhängig vom Verhältnis zum Gesamtangebotspreis zu beziehen. Ferner ist § 141 Abs 2 BVergG ein fakultativer Ausscheidenstatbestand, der dem Auftraggeber einen gewissen Ermessensspielraum einräumt. Dennoch hat der Verwaltungsgerichtshof das vergaberechtliche Argument der Revisionswerberin abgelehnt, dass dieses Ermessen aufgrund der Geringfügigkeit der betroffenen Positionen zu ihren Gunsten ausgeübt hätte werden müssen. Die Revisionswerberin argumentierte nämlich, der Auftraggeber wäre durch die Grundsätze des Vergaberechts, insbesondere durch den Gleichbehandlungsgrundsatz, in seinem Handlungsspielraum eingeschränkt. Der Verwaltungsgerichtshof stellte jedoch klar, dass der Anteil am Gesamtangebotspreis vergaberechtlich nicht relevant ist. Im Ergebnis hat also der Verwaltungsgerichtshof die Ausscheidensentscheidung bestätigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Verfahren zu einer weiteren Rechtsfrage inhaltlich Stellung genommen. Die Revisionswerberin stütze sich nämlich in ihrem Aufklärungsschreiben auf Erfahrungswerte, die ihres Erachtens auch für die Aufklärung der Unklarheiten in ihrer Kalkulation ausreichen würden. Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte, dass glaubwürdig dargelegte Erfahrungen zwar bei der Prüfung der Preisangemessenheit berücksichtig werden dürfen. Ein schlichter Verweis auf solche Erfahrungswerte reicht aber vergaberechtlich nicht aus, um kalkulatorische Unklarheiten auszuräumen. Vielmehr hätte die Revisionswerberin diese Erfahrungswerte im Aufklärungsschreiben konkret nachweisen müssen.

VwGH 8.9.2021, Ro 2020/04/0007