Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des EuGH, sind – sofern ein grenzüberschreitendes Interesse vorliegt – die Grundsätze des Unionsrechts (Diskriminierungsverbot, Gleichbehandlungsgrundsatz, Transparenzgebot) auch bei Vergaben im Unterschwellenbereich anzuwenden (vgl unter anderem EuGH 11.12.2014, Rs C-113/13; EuGH 16.4.2015, Rs C-278/14; EuGH 6.10.2016, Rs C-318/15). Allein die Frage, wann ein solches grenzüberschreitendes Interesse vorliegt, bereitet in der Praxis Probleme, weil hierzu keine taxativen Abgrenzungsmerkmale vorliegen. Vielmehr ist in jedem Einzelfall aufgrund der Gegebenheiten des Verfahrens zu entscheiden, ob ein solches grenzüberschreitendes Interesse vorliegt. Der EuGH hat in einem nun vorliegenden Urteil erneut Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen grenzüberschreitenden Interesses beigebracht.

Die Republik Österreich beauftragte die Österreichische Staatsdruckerei GmbH mit dem Druck spezieller Ausweisdokumente im Zuge einer Direktvergabe. Begründend wurde hierzu ausgeführt, dass aufgrund des geringen Auftragswertes von EUR 56.000,00 kein Interesse von ausländischen Unternehmen bestehe und daher nicht von einem grenzüberschreitenden Interesse auszugehen sei. Darüber hinaus sei aufgrund der durch den Auftrag berührten wesentlichen Sicherheitsinteressen (Ausnahme vom Geltungsbereich des Vergaberechts gemäß § 10 Abs 1 BVergG) eine Direktvergabe jedenfalls deshalb gerechtfertigt, weil allein solche Unternehmen den Zuschlag erhalten sollen, welche auf den Druck von besonderen Sicherheitsanforderungen genügenden Dokumenten spezialisiert seien und entsprechender Überwachung unterlägen. Nach einem entsprechenden Vorverfahren brachte die Europäische Kommission eine Vertragsverletzungsklage beim EuGH ein.

Der EuGH verwies eingangs darauf, dass die bloße Berufung auf wesentliche Sicherheitsinteressen jedenfalls nicht ausreiche, um eine Ausnahme vom Vergaberecht zu rechtfertigen. Vielmehr sei im Einzelfall konkret nachzuweisen, warum eine öffentliche Ausschreibung nicht dem Schutz dieser Interessen gerecht werde. Auch könne die Überwachungsmöglichkeit der Republik gegenüber der Staatsdruckerei nicht als geeignet betrachtet werden, diese Sicherheitsinteressen zu schützen, weil im Zuge eines Vergabeverfahrens auch sonstige Unternehmer an umfangreiche Kontrollmöglichkeiten durch den Auftraggeber gebunden werden könnten. Im Hinblick auf das Bestehen eines grenzüberschreitenden Interesses, hielt der EuGH nochmals fest, dass insbesondere ein gewisses Auftragsvolumen in Verbindung mit dem Leistungsort, technischen Merkmalen des Auftrages oder Besonderheiten der betreffenden Waren auf ein grenzüberschreitendes Interesse hindeuten können. Im Übrigen sei insbesondere auch deshalb, „weil der Markt für Unternehmen, die fälschungssichere Ausweispapiere herstellten, spezialisiert, klein und international verflochten sei und weil geografische Nähe kein Erfordernis für die Ausführung von Aufträgen über die Herstellung von fälschungssicheren Dokumenten sei“ vom Bestehen eines grenzüberschreitenden Interesses auszugehen.

EuGH 20.3.2018, Rs C-187/16