Als öffentliche Auftraggeber gelten unter anderem auch Einrichtungen, die (i) zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, nichtgewerbliche Aufgaben im Allgemeininteresse zu erfüllen, sofern sie (ii) zumindest teilrechtsfähig sind und (iii) überwiegend von einem öffentlichen Auftrageber finanziert werden, dessen Aufsicht sie im Hinblick auf ihre Leitung unterliegen oder deren Leitungsorgane von dem öffentlichen Auftraggeber beschickt werden. Der EuGH hatte sich nun unter anderem mit der Frage auseinanderzusetzen, wie sich das Absinken der Finanzierung auf den Status der betroffenen Einrichtung als öffentlicher Auftraggeber auswirkt.

Die Vilniaus UAB (eine 100%ige Tochtergesellschaft der litauischen Eisenbahngesellschaft), deren Gesellschaftszweck insbesondere in der Herstellung und Instandhaltung von elektrischen Lokomotiven, Waggons und elektrischen Triebfahrzeugen besteht, lukrierte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum fast 90% ihrer Umsätze mit Aufträgen der staatlichen litauischen Eisenbahngesellschaft. Im Jahr 2013 schrieb die Vilniaus die Lieferung von Eisenmetallstäben aus. Eine Bieterin beantragte die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung, weil ihres Erachtens die Vilniaus öffentlicher Auftraggeber sei, und deshalb der Auftrag entsprechend den einschlägigen vergaberechtlichen Regelungen zur Ausschreibung hätte gelangen müssen. Das zuständige litauische Gericht wies den Antrag auf Nichtigerklärung mit der Begründung ab, dass zum einen die Vilniaus mangels Verlustdeckung durch den Staat nicht überwiegend von diesem finanziert werde. Zum anderen durchgeführte Prognosen zeigen würden, dass zukünftige Geschäfte mit der staatlichen Eisenbahngesellschaft nur mehr 15% der Umsätze der Vilniaus darstellen werden.

Der im Zuge eines Vorabentscheidungsersuchens angerufene EuGH führte hierzu wie folgt aus: Entsprechend ständiger Rechtsprechung müssen die Voraussetzungen, damit eine Einrichtung als öffentlicher Auftraggeber zu qualifizieren ist, kumulativ vorliegen (Art 1 Absatz 9 Unterabsatz 2, der RL 2004/18/EG). Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt; lediglich, ob die Gründung zum besonderen Zweck erfolgte, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, sei fraglich. Da die Vilniaus gegründet wurde, um der litauischen Eisenbahngesellschaft die Erfüllung von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben zu ermöglichen, sei eine allfällige Gewinnerzielungsabsicht und die damit einhergehende gewerbliche Tätigkeit der Einrichtung für die Beurteilung als öffentlicher Auftraggeber nicht gleichbedeutend mit dem Nichtvorliegen einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe nicht gewerblicher Art. Insbesondere sei es nicht relevant, ob das Unternehmen in Zukunft möglicherweise weniger als 90% oder nicht den Hauptteil des Umsatzes durch Aufträge der Muttergesellschaft lukriert.

EuGH 5.10.2017, Rs C-567/15