Ein öffentlicher Auftraggeber hat als Lieferauftrag die Beschaffung von Holzfenstern und Verglasungsarbeiten ausgeschrieben. Ein Bieter hat ein Teilangebot für die Verglasungsarbeiten und darüber hinaus als Mitglieder einer Bietergemeinschaft ein Gesamtangebot für die Holzfenster und Verglasungsarbeiten unterbreitet; zusätzlich hat dieser Bieter auch als Subunternehmer an einem weiteren Angebot eines dritten Bieters für den Teilbereich der Verglasungsarbeiten mitgewirkt. Das Teilangebot des Bieters für die Verglasungsarbeiten wurde von der Auftraggeberin wegen eines Verstoßes gegen das Vergaberecht (wettbewerbswidrige Abreden gemäß § 129 Abs 1 Z 8 BVergG 2006) ausgeschieden.

Der ausgeschiedene Bieter hat diese Entscheidung mit einem Nachprüfungsantrag beim Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten bekämpft. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist dem Antrag gefolgt und hat die Ausscheidensentscheidung für nichtig erklärt. Der Auftraggeber hat diese für ihn negative Entscheidung mit einer Beschwerde beim VwGH bekämpft. Der VwGH hat jedoch dieser Beschwerde keine Folge gegeben und hat die Nichtigerklärung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten bestätigt. Diese Entscheidung hat der VwGH im Wesentlichen damit begründet, dass nach den bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen die Bildung von Bieter- und Arbeitsgemeinschaften für zulässig erklärt wurde; ein ausdrückliches Verbot der Beteiligung in mehreren Bietergemeinschaften war in den Ausschreibungsunterlagen nicht enthalten. Es war allerdings in den Ausschreibungsunterlagen auch nicht festgelegt, dass eine solche Mehrfachbeteiligung zulässig war. Vor dem Hintergrund dieser Festlegungen in den Ausschreibungsunterlagen hat der VwGH festgestellt, dass das Ausscheiden des Angebotes  vergaberechtlich unzulässig war. Vielmehr hätte der öffentliche Auftraggeber dem betroffenen Bieter bei der Angebotsprüfung die Möglichkeit geben müssen, nachzuweisen, ob der Inhalt der abgegebenen Angebote durch die Mehrfachbeteiligung beeinflusst worden ist, oder ob die Angebote völlig unabhängig voneinander erstellt wurden und folglich die Gefahr einer Beeinflussung des Wettbewerbs nicht bestanden hat.

Anmerkungen: Mit diesem Erkenntnis wurde die Frage, ob ein Verbot, das eine Mehrfachbeteiligung als Bieter und Mitglied einer Bietergemeinschaft für unzulässig erklärt hätte, durch den Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen festgelegt hätte werden dürften, nicht beantwortet. Diese Frage hat jedoch höchste praktische Bedeutung für die rechtssichere Abwicklung von Vergabeverfahren, weil mit der vom VwGH geforderten individuellen Prüfung wohl niemals eine entsprechende Wettbewerbsbeeinträchtigung nachweisbar sein wird. Wie soll einem öffentlichen Auftraggeber mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln ein solcher Nachweis gelingen? Die damit verbundenen Probleme zeigen sich allein daran, dass der Nachweis einer Beeinflussung des Wettbewerbs sogar strafrechtlich relevant sein kann (§ 168b StGB). Öffentliche Auftraggeber haben aber keine (staatsanwaltschaftlichen) Befugnisse, um solche Sachverhalte zu klären. Im Ergebnis bewirkt das vorliegende Erkenntnis de facto eine generelle Zulässigkeit von Mehrfachbeteiligungen, die jedoch mit erheblichen Gefahren von Absprachen verbunden ist. Es widerspricht der Lebenserfahrung, wenn man davon ausginge, ein Bieter, der sich mehrfach am Vergabeverfahren beteiligt, würde die beiden Angebotsinhalte nicht entsprechend aufeinander abstimmen.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Frage, ob ein Verbot von Mehrfachbeteiligungen in den Ausschreibungsunterlagen vergaberechtlich zulässig ist, als solche bis dato auch durch die Rechtsprechung des EuGH noch nicht beantwortet wurde. Dies gilt insbesondere auch für das Urteil vom 23.12.2009 in der Rechtssage C-376/08 (Serrantoni). Darin hatte der EuGH eine gesetzliche Regelung zu behandeln, die eine Mehrfachbeteiligung unter strafrechtliche Sanktionen gestellt hat. Da es also für eine Festlegung durch den Auftraggeber betreffend die Unzulässigkeit von Mehrfachbeteiligungen auf Ebene von Bietern und Bietergemeinschaften bis dato noch keine Rechtsprechung durch den EuGH oder VwGH gibt, empfiehlt es sich, die Unzulässigkeit ausdrücklich in den Ausschreibungsunterlagen zu regeln. Ansonsten besteht die für den Auftraggeber nahezu unüberwindbare Hürde im Rahmen der Angebotsprüfung nachzuweisen, dass eine Mehrfachbeteiligung den Wettbewerb nicht beeinträchtigt hat.

VwGH 18.6.2012, 2010/04/0011