Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hatte jüngst die vergaberechtlichen Anforderungen zu klären, die bei Verwendung von Gütezeichen in den Ausschreibungsunterlagen zu berücksichtigen sind. Im Konkreten ging es um die Vergabe eines öffentlichen Auftrags für die Lieferung und Bewirtschaftung von Kaffeeautomaten. Der öffentliche Auftraggeber hatte sowohl für die technische Spezifikation des anzubietenden Ausschreibungsgegenstandes als auch zur Definition von Eignungs- und Zuschlagskriterien jeweils ein bestimmtes Gütezeichen als solches verwendet. 

Zunächst hat der Gerichtshof festgestellt, dass die technische Spezifikation des Ausschreibungsgegenstandes nicht durch eine schlichte Bezugnahme auf das Gütezeichen erfolgen darf. Vielmehr müssen öffentliche Auftraggeber jene detaillierten Spezifikationen gesondert in den Ausschreibungsunterlagen festlegen, die einem bestimmten Gütezeichen zugrunde liegen. Nach Ansicht des Gerichtshofs sind solche Festlegungen insbesondere deshalb erforderlich, weil öffentliche Auftraggeber nicht nur ein bestimmtes Gütezeichen zum Nachweis technischer Spezifikationen zulassen dürfen; sie müssen auch jedes andere geeignete Beweismittel, wie technische Unterlagen des Herstellers oder Prüfberichte anerkannter Stellen, akzeptieren. Ein bloßer Verweis auf ein Gütezeichen als solches würde dieser Vorgabe nicht genügen.

Darüber hinaus hat der Gerichtshof diese Rechtsansicht auch auf die Verwendung von Gütezeichen bei der Bestbieterermittlung übertragen. Demnach ist es also unzulässig, in den Ausschreibungsunterlagen als Zuschlagskriterium festzulegen, dass ein angebotenes Produkt, das über ein entsprechendes Gütezeichen verfügt, eine bestimmte Punkteanzahl bei der Bestbieterermittlung erhält. Auch in diesem Fall ist es nach Ansicht des Gerichtshofs erforderlich, dass in den Ausschreibungsunterlagen jene detaillierten Anforderungen festgelegt werden, die dem Gütezeichen zugrunde liegen. Erfüllt ein angebotenes Produkt diese Anforderungen, können dafür bei der Bestbieterermittlung die festgelegten Punkte vergeben werden. 

Ferner hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass im klassischen Vergaberegime die Aufzählungen von Eignungskriterien in der Richtlinie und damit auch im BVergG taxativ sind. Es dürfen also in den Ausschreibungsunterlagen keine anderen Eignungskriterien verwendet werden, als in der Richtlinie und im BVergG vorgesehen sind. Folglich hat der Gerichtshof das Eignungskriterium „Nachhaltigkeit der Einkäufe und des gesellschaftlich verantwortlichen Handelns“ und das Eignungskriterium „Verbesserung der Nachhaltigkeit des Kaffeemarkts und einer umwelttechnisch, sozial und wirtschaftlich verantwortlichen Kaffeeproduktion“ für vergaberechtswidrig erklärt. Diese Kriterien sind nämlich in den taxativen Aufzählungen der Richtlinie und des BVergG nicht enthalten. Zusätzlich hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass diese Eignungskriterien auch deshalb vergaberechtswidrig sind, weil sie in den Ausschreibungsunterlagen nicht hinreichend konkret festgelegt waren. Dadurch hat der öffentliche Auftraggeber mit seinen Festlegungen in den Ausschreibungsunterlagen die vergaberechtlichen Transparenzpflichten verletzt. Der Gerichtshof hat damit einmal mehr die hohen Anforderungen an die vergaberechtlichen Konkretisierungspflichten bei Formulierung von Ausschreibungsunterlagen betont. 

EuGH 10.5.2012, Rs C-368/10, Europäische Kommission / Königreich der Niederlande