Die Weiterentwicklung eines bestehenden Software-Systems durch den alleinigen Source-Code-Inhaber ist ausschreibungsfrei.

Die Wartung und Weiterentwicklung eines bestehenden Software-Systems durch den alleinigen Source-Code-Inhaber bedarf nach einer aktuellen Entscheidung des BVA keiner öffentlichen Ausschreibung, wenn nur der Source-Code-Inhaber diese Leistung erbringen kann. Der Auftraggeber muss den Bietern auch nicht zur Öffnung des Wettbewerbs gestatten, den vollständigen Ersatz des bestehenden Systems durch ein neues System anzubieten.

Der Entscheidung des BVA lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Im Jahr 2004 hatte die Bundesbeschaffung GmbH einen Vertrag über die Bereitstellung eines elektronischen Katalogeinkaufssystems abgeschlossen („e-shop“). Der damalige Auftragnehmer dieses Altvertrages hatte dieses Einkaufssystem vorwiegend auf Basis einer Standardsoftware angeboten. Die einmaligen Kosten für dieses System betrugen ca EUR 1,3 Mio und das jährliche Wartungsentgelt ca EUR 96.000,00. Für die Auftragserfüllung setzte der damalige Auftragnehmer den Softwarehersteller der Standardsoftware als Subunternehmer ein, der auch alleiniger Inhaber des Source-Codes war.

Im Jahr 2010 sollte nunmehr ein Auftrag über EUR 900.000,00 für die Wartung und Weiterentwicklung des e-shops ausschreibungsfrei dem Softwarehersteller bzw dessen Rechtsnachfolger erteilt werden. Gegen diese ausschreibungsfreie Vergabe wurde von einem Konkurrenten im Nachprüfungsverfahren unter anderem vorgebracht, dass das vorhandene Katalogsystem in kurzer Zeit unter aufrechtem Betrieb inklusive 5-jähriger Wartung zu einem deutlich niedrigeren Gesamtpreis als EUR 900.000,00 vollständig ersetzt werden könnte. Das BVA hat den Nachprüfungsantrag abgewiesen, weil nur der Inhaber des Source-Codes in der Lage wäre, die Leistungen des neuen Vertrages zu erbringen. Jene Leistungen, die ohne Source-Code erbracht werden könnten, seien bloße Nebentätigkeiten, deren Trennung von den Source-Code abhängigen Tätigkeiten nicht sinnvoll und auch unüblich sei. Es sei daher auch keine getrennte Vergabe vorzunehmen. Der Auftraggeber habe sich zu Recht auf den Ausnahmetatbestand des Ausschließlichkeitsrechtes gemäß § 30 Abs 2 Z 2 BVergG berufen, der die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung mit nur einem Bieter erlaubt.

Es sei unzutreffend, dass ein Auftraggeber aus wirtschaftlichen Überlegungen ein vorhandenes Softwaresystem aufzugeben und eine komplette Systemneuanschaffung eines Gesamtsoftwaresystems inklusive Wartung zu tätigen habe. Es liege grundsätzlich in der Dispositionsfreiheit des Auftraggebers, seinen konkreten Beschaffungsbedarf seinen Bedürfnissen und Vorstellungen entsprechend festzulegen. Ein Auftraggeber könne zweifellos auch nicht dazu gezwungen werden, ein bestehendes und funktionierendes Altsystem über Bord zu werfen und ein neues Gesamtsystem zu beschaffen. Zudem liege die Impraktikabilität einer solchen Vorgangsweise gerade im verfahrensgegenständlichen IT- Bereich auf der Hand. Selbst wenn es nämlich – rein theoretisch und rein wirtschaftlich gesprochen – allenfalls sinnvoll sein könnte, im Falle zu hoher Aufwendungen für die Weiterbetreuung eines Altsystems dieses durch ein Neusystem zu ersetzen, gelte es nämlich, das damit verbundene Projektrisiko zu beachten und weiters, dass zahlreiche User an ein neues System herangeführt werden müssten.

BVA 3.1.2011, N/0075-BVA/14/2010-56