Gemäß § 9 Abs 1 Z 17 BVergG sind Dienstleistungsaufträge im Bereich des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter bestimmte Referenznummern des CPV-Codes fallen von der vergaberechtlichen Ausschreibungspflicht befreit; dies gilt nicht für den Einsatz von Krankenwagen zur Patientenbeförderung. Diese Form der Patientenbeförderung ist also ausschreibungspflichtig. Der Ausnahmetatbestand des § 9 Abs 1 Z 17 BVergG wurde nahezu wörtlich aus Artikel 10 litera h der EU-Richtlinie 2014/24/EU übernommen. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Begriffe der „Gefahrenabwehr“ und „gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen“ in dieser EU-Richtlinie nicht näher definiert werden. Der EuGH hatte sich in einem rezenten Urteil mit eben dieser Frage auseinanderzusetzen.
Im Jahr 2016 wurde von der deutschen Stadt Solingen die Erbringung von Rettungsdienstleistungen in zwei Losen für die Dauer von fünf Jahren neu vergeben. Das Beschaffungsvorhaben betraf insbesondere zum einen die Notfallrettung in einem Rettungswagen mit medizinischer Betreuung und Versorgung von Notfallpatienten durch Rettungsassistenten mit Unterstützung von Rettungssanitätern und zum anderen den Krankentransport mit medizinischer Betreuung und Versorgung der Patienten durch Rettungssanitäter mit Unterstützung von Rettungsassistenten (sogenannter qualifizierter Krankentransport). Die Stadt Solingen verzichtete hierbei auf die vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union. Vielmehr forderte sie vier Hilfsorganisationen (Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsches Rote Kreuz, Johanniter-Unfallhilfe, Malteser Hilfsdienst) direkt zur Angebotsabgabe auf. Private Rettungsdienstleister hatten also keine Möglichkeit, ein Angebot abzugeben. Letztlich erhielten zwei dieser Organisationen den Zuschlag für jeweils ein Los. Mit der Begründung, die Vergabe hätte in einem unionsrechtskonformen Vergabeverfahren durchgeführt werden müssen, haben sich zwei private Rettungsdienstleister an das Oberlandesgericht Düsseldorf gewandt, um die erteilten Aufträge für unwirksam erklären zu lassen. Das in zweiter Instanz zuständige Oberlandesgericht legte die dabei zu klärenden Fragen im Zuge eines Vorabentscheidungsersuchens dem EuGH vor. Im Konkreten war insbesondere zum einen zu klären, ob es sich bei der Notfallrettung (Los 1) und dem qualifizierten Krankentransport (Los 2) um „Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr“ im Sinne von Artikel 10 litera h der Richtlinie 2014/24/EU handle. Zum anderen war zu klären, ob „gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen“ dann vorliegen, wenn diese nach dem nationalen Bundes- und Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen (Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter-Unfall-Hilfe, Malteser Hilfsdienst) anerkannt sind.
Der EuGH wies eingangs darauf hin, dass der Begriff der „Gefahrenabwehr“ in der Richtlinie 2014/24/EU nicht definiert ist. Anschließend führte der Gerichtshof aus, dass es zwar jedenfalls zutreffend ist, die Begriffe „Zivilschutz“ und „Katastrophenschutz“ im Zusammenhang mit Großschadensereignissen wie beispielsweise einem Erdbeben, einem Tsunami oder einem Krieg zu sehen. Daraus ergibt sich aber nicht unbedingt, dass der ebenfalls in Artikel 10 litera h der Richtlinie 2014/24/EU verwendete Begriff der „Gefahrenabwehr“ gleichfalls eine kollektive Dimension aufweisen muss. Sowohl aus der wörtlichen als auch aus der systematischen Auslegung der Bestimmung ergibt sich nämlich, dass die „Gefahrenabwehr“ sowohl Gefahren für die Allgemeinheit als auch Gefahren für Einzelpersonen betrifft. Demnach ist die Betreuung und Versorgung von Notfallpatienten in einem Rettungswagen durch einen Rettungsassistenten oder Rettungssanitäter vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/24/EU ausgenommen, sofern diese Dienstleistung von einer gemeinnützigen Organisation oder Vereinigung im Sinne des Ausnahmetatbestandes erbracht wird. In Bezug auf den qualifizierten Krankentransport gilt dies aber nur dann, wenn er tatsächlich von ordnungsgemäß in erster Hilfe geschultem Personal durchgeführt wird und einen Patienten betrifft, bei dem das Risiko besteht, dass sich sein Gesundheitszustand während des Transports verschlechtert. Zudem hat der EuGH festgehalten, dass „gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen“ im Sinne des Artikels 10 litera h der Richtlinie 2014/24/EU jeweils Organisationen oder Vereinigungen sind, die soziale Aufgaben erfüllen, die dabei aber nicht erwerbswirtschaftlich tätig sind und die allfällige Gewinne in das Unternehmen reinvestieren, um das Ziel der Organisation oder Vereinigung zu erreichen.