Aufgrund des Regierungsprogramms 2020 bis 2024 der österreichischen Bundesregierung ist in den nächsten Jahren mit mehreren vergaberechtlichen Änderungen zu rechnen. Das erklärte Ziel der Bundesregierung ist unter anderem die Etablierung einer nachhaltigen und ökosozialen öffentlichen Auftragsvergabe bei gleichzeitiger Kostensenkung. Darüber hinaus ist auch im Bereich des Vergaberechts eine Reduktion von bestehendem und Vermeidung von künftigem Gold-Plating beabsichtigt. Unter Gold-Plating versteht man die freiwillige Übererfüllung von EU-Vorgaben im nationalen Recht, obwohl es dafür keine unionsrechtlichen Verpflichtungen gibt.Die geplanten Maßnahmen lassen sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
Unter der Überschrift „Nachhaltige öffentliche Vergabe sicherstellen“ ist die Einführung von ökosozialen Vergabekriterien geplant, die bindend für die bundesweite Beschaffung sind (Seite 16). Dabei soll zum einen eine Stärkung der Regionalität im Rahmen EU-rechtlicher Vergaberichtlinien sichergestellt werden. Zum anderen wird auch in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass der Fokus im Rahmen des beschlossenen Bestbieterprinzips auf Qualitätskriterien liegen muss. Darüber hinaus ist auch die Verlängerung der Schwellenwerte-Verordnung des Justizministers für die Direktvergabe und vereinfachte Verfahrensarten geplant; zusätzlich wird sogar eine Prüfung angekündigt, diese Schwellenwerte zur Förderung der regionalen und ökosozialen Marktwirtschaft anzuheben.
Das Vergaberecht soll zum wichtigen Instrument zur Bekämpfung des Klimawandels werden (Seite 72). Dazu ist das Bestbieterprinzip um verbindliche ökologische Kriterien für die angebotenen Produkte und Dienstleistungen zu erweitern; beispielsweise werden dabei öffentliche Bautätigkeiten ausdrücklich genannt.In diesem Zusammenhang ist ausdrücklich die Rede von einem Paradigmenwechsel vom Billigstbieter zum Bestbieter und Berücksichtigung des Total Costof Ownership-Prinzips. Auch unter der Überschrift „Effiziente E-Mobilität“ ist bei regionalen Ausschreibungen im Busverkehr das Bestbieterprinzip inklusive Anwendung von Qualitäts- und Sozialkriterien angesprochen.
Unter der Überschrift „Entbürokratisierung und Modernisierung der Verwaltung“ ist in Bezug auf die geplante Reduktion des Gold-Platings ausdrücklich ein Bürokratieabbau im Vergabeverfahren geplant (Seite 91).
Unter der Überschrift „Straßenverkehr“ wird die öffentliche Hand eine Vorreiterrolle und Vorbildwirkung durch verbindliche Vorgaben übernehmen (Seite 130): So rasch wie möglich (möglichst schon ab 2022) wird die Beschaffung von emissionsfrei betriebenen Fahrzeugen durch die öffentliche Hand zum Standard, die Beschaffung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren wird zur Ausnahme und muss begründet werden. Die Lebenszykluskosten (Total Cost of Ownership) sind Grundlage des Beschaffungsvorgangs, inklusive Berücksichtigung des Umwelt- und Gesundheitsvorteils. Ab 2027 wird es keine Neuzulassung von Kraftfahrzeugen (PKW) mit Verbrennungsmotoren in der öffentlichen Beschaffung geben; Ausnahmen sind für Sonderfahrzeuge, Einsatzfahrzeuge und Fahrzeuge des Bundesheers geplant. Darüber hinaus werden bundesweite Beschaffungsaktionen emissionsfreier Nutzfahrzeuge für kommunale Flotten ausgebaut.
Unter der Überschrift „Europa“ ist allgemein die Reform des Beschaffungswesens wiederum mit dem Stichwort „Bestbieterprinzip“ geplant (Seite 175). Dabei soll mehr Fairness für europäische Unternehmen beim Marktzugang im öffentlichen Beschaffungswesen und Reform bei der Bewertung von Anboten, die bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in der EU eingereicht werden, sichergestellt werden. Neben dem Preis ist auch eine verpflichtende Berücksichtigung sozialer und ökologischer Faktoren geplant, wie der Beitrag zur europäischen Wertschöpfung und der CO2-Fußabdruck.
Anmerkungen der Autoren: Für die Beschaffungspraxis wird es spannend sein, ob und in welcher konkreten Form die oben stehenden Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden. Insbesondere der geplante Bürokratieabbau im Vergabeverfahren wird mit großem Interesse zu beobachten sein; nahezu alle Novellierungen und Neuerlassungen des BVergG der Vergangenheit hatten die Verfahrenserleichterung zum ausdrücklich erklärten Ziel. Die dargestellten Maßnahmen im „Straßenverkehr“ korrelieren inhaltlich weitgehend mit den verpflichtenden Maßnahmen, die innerstaatlich aufgrund der Clean-Vehicle-Richtlinie der EU umzusetzen sind (EU-Richtlinie 2019/1161); allerdings plant Österreich offensichtlich einzelne Maßnahmen früher umzusetzen als es unionsrechtlich erforderlich wäre. Darüber hinaus soll einmal mehr im Vergaberecht auch das Bestbieterprinzip reformiert werden. Bereits mit der BVergG-Novelle 2016 hat es eine Stärkung des Bestbieterprinzips gegeben; diese Stärkung wurde aber mit dem neu erlassenen BVergG 2018 zum Teil wieder rückgängig gemacht, weil der Katalog verpflichtender Auftragsvergaben nach dem Bestbieterprinzip in § 91 Abs 5 BVergG 2018 gegenüber der Vorgängerbestimmung in § 79 Abs 3 BVergG 2016 deutlich gekürzt wurde. Auch in diesem Zusammenhang bleibt mit Spannung abzuwarten, in welche konkrete Richtung das Bestbieterprinzip reformiert wird.