Die Prüfung der Angemessenheit des Preises im Zuge der vertieften Angebotsprüfung gemäß § 125 Abs 3 BVergG obliegt dem Auftraggeber. Dabei ist in einer ersten Stufe die allgemeine Preisangemessenheit anhand der vorliegenden Unterlagen und der jeweiligen Marktlage zu prüfen. Sofern sich bereits aufgrund dieser Prüfung oder wegen eines zu niedrigeren Gesamtpreises oder zu hohen oder zu niedrigen Einheitspreisen allfällige Zweifel am Angebotspreis ergeben, hat der Auftraggeber die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit im Zuge einer vertieften Angebotsprüfung zu klären. Zur Frage, wann der Auftraggeber vom Vorliegen eines ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises ausgehen kann, trug der EuGH in einer nun vorliegenden Entscheidung klärend bei.

Sachverhaltsgrundlage für das vorliegende Urteil des EuGH war die Vergabe von Leistungen des Aufbaus eines Netzwerks für die Umsetzung der europäischen Innovationspartnerschaft „Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit“ durch die Kommission. Aufgrund des von der eingesetzten Prüfkommission als ungewöhnlich niedrig eingestuften Angebotspreises wurde die antragstellende Bieterin um ausführliche Erläuterung unter Hinweis auf die Gefahr des Ausscheidens des Angebotes ersucht (Aufklärungsersuchen). Das durch die Antragstellerin vorgelegte Aufklärungsschreiben konnte jedoch laut Protokoll der Prüfkommission nicht abschließend die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit herstellen; insbesondere, konnte die Abweichung von EUR 1 Mio zum zweiten, im Verfahren verbliebenen Angebot, sowie die Abweichung von der Auftragswertschätzung der Auftraggeberin in nahezu gleicher Höhe nicht nachvollziehbar dargelegt werden.

Der EuGH hielt eingangs nochmals fest, dass der Auftraggeber vor Ausscheiden eines Angebotes vom Bieter eine schriftliche Aufklärung zu verlangen habe, um dadurch diesem die Möglichkeit zu geben, die Seriosität seines Angebotes darzulegen (vgl auch die Formulierung § 125 Abs 3 BVergG; „der Auftraggeber muss Aufklärung […] verlangen […].). Darüber hinaus verwies der EuGH in Zusammenhang mit der fehlenden Legaldefinition eines „ungewöhnlich niedrigen Angebotes“ auf seine hierzu ergangene Rechtsprechung, der zufolge es dem Auftraggeber überlassen sei – unter der Voraussetzung, dass die gewählte Methode sachlich und nicht diskriminierend ist – derart „ungewöhnlich niedrige Angebote“ zu identifizieren und sohin eine Ungewöhnlichkeitsschwelle festzulegen. Der EuGH stellte klar, dass ein – wie im vorliegenden Sachverhalt – ungewöhnlich niedriges Angebot schon dann vorliegen kann, wenn der angebotene Preis von der Auftragswertschätzung des Auftraggebers und den Angebotspreisen der Mitbieter abweicht.

EuGH 19.10.2017, Rs C-198/16