Die Vergabe von Aufträgen hat nur an geeignete Bieter zu erfolgen; zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit im Rahmen der Eignungsprüfung sind vom Bieter vielfach Referenzen (Leistungsnachweise) vorzulegen. Diese Referenzen müssen zwar vom Bieter – zumindest in wesentlichen Teilen – selbst erbracht worden sein, jedoch lässt das Vergaberecht es auch zu, dass sich Bieter auf Dritte (Subunternehmer) berufen, sofern nachgewiesen wird, dass diese im Auftragsfall tatsächlich zur Verfügung stehen (zur Frage, wie weit eine derartige Subunternehmer-Verfügungserklärung gehen darf vgl EuGH 14.1.2016, Rs C-234/14). Problematisch wird es für Bieter dann, wenn sie zwar Referenzen vorlegen, diese Referenzen jedoch nicht die in den Ausschreibungsunterlagen geforderten Mindestanforderungen erfüllen; die Folge des Nichterfüllens der Mindestanforderungen besteht regelmäßig im Ausscheiden des betroffenen Angebotes. Der EuGH hat nun in einer neuen Entscheidung für eine erhebliche Entschärfung dieser Problematik gesorgt.

Grundlage der vorliegenden Entscheidung war ein europaweites offenes Vergabeverfahren in drei Losen zur Modernisierung der bestehenden sowie Einführung neuer EDV-Systeme in den Gesundheitseinrichtungen, die der Selbstverwaltung der Woidwotschaft Lodz (Polen) unterstellt sind. Zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit im Los Nummer 3 waren von jedem Bieter zumindest zwei Referenzen vorzulegen. Einer der beteiligten Bieter legte – im Zuge einer Verbesserungsaufforderung – andere Referenzen vor, als jene, die im ursprünglichen Angebot enthalten waren; zusätzlich stützte der Bieter sich dabei auch auf die Kapazitäten eines anderen Unternehmens als des ursprünglich bekanntgegebenen.

Der EuGH sprach einleitend nochmals aus, dass (i) die Vorlage von Unterlagen, die im ursprünglichen Angebot nicht enthalten waren, nach Ablauf der Angebotsfrist nicht mehr zulässig sei (Bietergleichbehandlung), (ii) bei unteilbaren Aufträgen eine Berufung auf die Kapazitäten eines anderen Unternehmens nicht möglich ist, (iii) das Vorlegen von Referenzen aus einem ARGE-Projekt nur unter der Voraussetzung der tatsächlichen und konkreten Ausführungsbeteiligung zulässig ist und (iv) der Ausschluss eines Bieters vom Vergabeverfahren auch bei fahrlässigen Falschangaben möglich ist, sofern diese Falschangaben auch Auswirkungen auf das Vergabeverfahren haben können. Abschließend stellte der EuGH fest, dass es einem Bieter möglich sein muss, sich auf zwei oder mehr Aufträge zum Nachweis eines Referenzprojektes zu berufen; dies insoweit, als weder in der Auftragsbekanntmachung noch in den Ausschreibungsunterlagen eine Ausschluss dieser Möglichkeit vorgesehen ist.

Diese Entscheidung ist insbesondere im Hinblick auf den Nachweis der Leistungsfähigkeit durch die Referenzerbringung von Interesse. Wenn nun der EuGH davon ausgeht, dass eine Einschränkung des Nachweises auf die Bindung „eine Referenz – ein Auftrag“ nur bei einem betreffenden Vorbehalt in der Auftragsbekanntmachung oder den Ausschreibungsunterlagen zulässig ist, stellt sich die Frage, wie sich eine derartige Öffnung mit dem Grundsatz der Vergabe an geeignete Unternehmer verträgt. Ziel einer solchen Bindung ist es nämlich sicherzustellen, dass nur leistungsfähige Unternehmer für den Zuschlag in Betracht gezogen werden; durch diese Entscheidung wird jedoch genau dieser Mechanismus in Frage gestellt.

EuGH 4.5.2017, Rs C-387/14