Der EuGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob es zulässig ist, mit Bietern, deren Erst-Angebot nicht allen verbindlichen Vorgaben der Ausschreibungsunterlagen entspricht, Verhandlungen im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens zu führen. Durch das Verhandlungsverfahren hat der öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit, die von den Bietern unterbreiteten Angebote an die Anforderungen der Ausschreibungsunterlagen anzupassen und somit das beste Angebot zu ermitteln. In diesem Zusammenhang besteht ebenso die Verpflichtung, alle Wirtschaftsteilnehmer gleich und nichtdiskriminierend zu behandeln. Natürlich hat auch hier die Vergabe stets in transparenter Weise zu erfolgen.

Das Verhandeln mit einem Bieter, der die verbindlichen Anforderungen der Ausschreibungsunterlagen mit seinem Erst-Angebot nicht erfüllt, würde jedoch gegen eben diese Grundsätze des Transparenz und der Gleichbehandlung verstoßen.

Die Verhandlung aufgrund solcher Angebote würde jedenfalls in einer Ungleichbehandlung der anderen Bieter resultieren, da es nicht möglich wäre auf einer gemeinsamen, in den zwingenden Voraussetzungen bestehenden Grundlage zu verhandeln.

Da Sinn und Zweck der transparenten Verfahrensführung darin liegt, Günstlingswirtschaft und auftraggeberseitige Willkür hinanzuhalten, würde die Nichtbeachtung der verbindlichen Anforderungen im Erst-Angebot einen Verstoß gegen das Erfordernis der Transparenz darstellen. Weiters würde es das System der Festlegung von verbindlichen Vorgaben in solchen Ausschreibungen als Ganzes ad absurdum führen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Erst-Angebote jedenfalls den verbindlichen Vorgaben der Ausschreibungsunterlagen zu entsprechen haben, widrigenfalls die Aufnahme von Verhandlungen mit einem solchen Bieter einen Verstoß gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung sowie der Transparenz darstellen würde.

EuGH 5.12.2013, C-561/12