Der EuGH hat den unionsrechtlichen Begriff der „schweren Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit“ im Sinne des § 68 Abs 1 Z 5 BVergG konkretisiert. Dabei unterscheidet der Gerichtshof zwischen einer „schlichten Verfehlung“ einerseits und einer „schweren Verfehlung“ andererseits. Nur die schwere Verfehlung erfüllt einen Ausschlusstatbestand. Eine solche schwere Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit ist nach diesem Urteil dann anzunehmen, wenn die Verfehlung vorsätzlich oder grob fahrlässig vom betreffenden Bieter begangen wurde. Dabei hat der EuGH auch klargestellt, dass jede nicht ordnungsgemäße, ungenaue oder mangelhafte Erfüllung eines Vertrages zwar von einer geringen fachlichen Eignung des Bieters zeugen kann, diese aber nicht automatisch eine schwere Verfehlung begründet. Dennoch hat der Gerichtshof klargestellt, dass die Nicht-Erfüllung vertraglicher Pflichten – die in der Praxis häufig zur Diskussion steht – grundsätzlich auch eine Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit sein und daher einen Ausschlussgrund erfüllen kann. In jedem Fall hat aber für die Beurteilung, ob eine „schwere Verfehlung“ vorliegt, stets eine konkrete Einzelfallbeurteilung der Verhaltensweise des betreffenden Bieters zu erfolgen.

Insgesamt ist festzuhalten, dass durch dieses Urteil die österreichische strenge Spruchpraxis der Vergabekontrollbehörden im Wesentlichen bestätigt wurde. Die vergaberechtlichen Hürden für öffentliche Auftraggeber, einen Bieter wegen fehlender Zuverlässigkeit auszuschließen, bleiben daher nunmehr auch durch die Rechtsprechung des EuGH abgesichert entsprechend hoch. Aufgrund der dabei geltenden hohen Anforderungen werden daher Ausschlüsse wegen fehlender Zuverlässigkeit wohl nur in seltenen Ausnahmefällen tatsächlich in Betracht kommen.

EuGH 13.12.2012, Rs C-465/11