In einer Ausschreibung war bestandsfest folgende Festlegung enthalten: „Ein Prüfbericht […] muss im Angebot enthalten sein (fehlt dieser Prüfbericht, wird das Angebot ausgeschlossen!)“ Der präsumtive Zuschlagsempfänger hatte diesen Prüfbericht nicht bereits im Angebot der Auftraggeberin vorgelegt; vielmehr wurde der Prüfbericht erst im Rahmen der Angebotsprüfung nach Aufforderung durch die Auftraggeberin fristgemäß nachgereicht. Dieser nachgereichte Prüfbericht datierte vor Ende der Angebotsfrist. Letztlich hatte der Verwaltungsgerichtshof zu klären, ob diese Nachreichung zulässig war, oder ob aufgrund der zitierten Festlegung in der Ausschreibung ein unbehebbarer Mangel vorlag.
Der Verwaltungsgerichtshof hat – insbesondere unter Verweis auf seine bisherige Judikatur – erkannt, dass Ausschreibungsbestimmungen nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen sind. Zusätzlich hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass „im Zweifel“ die Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen des BVergG zu lesen sind (siehe bereits bisher VwGH 1.7.2010, 2007/04/0136). Dabei war zunächst entscheidend, dass im vorliegenden Fall zum Ende der Angebotsfrist der relevante Prüfbericht bereits existiert hat, dem Angebot aber nur nicht beigelegt war. Hätte also der Bieter einen Prüfbericht nachgereicht, der erst nach Ende der Angebotsfrist erstellt worden wäre, wäre das Angebot auszuscheiden gewesen. Darüber hinaus ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs die oben zitierte Festlegung von einem durchschnittlich fachkundigen Bieter offensichtlich so zu verstehen, dass der Prüfbericht kein zwingender Bestandteil des Angebotes sein musste.
Für öffentliche Auftraggeber ergibt sich aus diesem Erkenntnis für das Erstellen von Ausschreibungsunterlagen, dass gegenüber der eingangs zitierten Festlegung noch strengere Formulierungen zu verwenden sind, wenn bestimmte Angebotsinhalte bereits mit dem Angebot vorgelegt werden sollen. Fehlen solche strengen Festlegungen, ist jedenfalls ein Mängelbehebungsauftrag erforderlich, sodass also ein sofortiges Ausscheiden unzulässig wäre. Mit diesen (neuen) Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofs wird im Übrigen der bisherigen Spruchpraxis des Bundesvergabeamtes eine Absage erteilt (BVA 28.10.2010, N/0072-BVA/11/2010-17). Das Bundesvergabeamt hat nämlich aus einer deutlich weniger strengen Festlegung einen unbehebbaren Angebotsmangel abgeleitet (Zitat: „Der Bieter ist verpflichtet, die Berichtigung bei seiner Angebotslegung zu berücksichtigen, ansonsten wird das Angebot wegen Unvollständigkeit ausgeschieden.“)